Als Berliner hat man doch wunderbare Einblicke in die Reichweite moderner Architektur. Die Neue Nationalgalerie oder der Potsdamer Platz stellen dabei jedoch leider eher Ausnahmen dar. Viel präsenter sind die unzähligen Shopping-Center, die Bahnhöfe und neuen Wohnbauten. Der Begriff „moderne“ Architektur kann allerdings weiter gefasst werden. Dann fallen auch die Bausünden der DDR-Zeit unter die Kategorie moderne Architektur. In meinen Augen war der Kontrast zwischen den unangenehmen Neubauten am Alexanderplatz und dem klassizistischen Berliner Dom noch größer als der Palazzo Prozzo, also der Palast der Republik noch da stand.
Es hieß in der Schule immer, dass diese Phase der Architektur von einem pragmatischen Zweck geleitet worden sei. Wenn dem so ist, mal ein pragmatischer Gedanke: der Palast der Republik (warum eigentlich so ein leuchtender Begriff?) wurde gebaut, um die Regierung der DDR zu herbergen. Dieser Zweck hat sich ja nun erledigt, also war es auch dem pragmatischen Stil gemäß, dass man ihn abgerissen hat. Insofern war der Streit unter den Berlinern über den Palast grundlegend falsch, weil es den Zweck des Architekten verletzt hätte.
Aber man muss ja nicht nur schimpfen. Wenn man mal von Shopping-Center und Fast-Food-Ketten absieht, kann man die moderne Architektur auch besser darstellen. Das neue Regierungsviertel oder auch die neuen Botschaften der verschiedenen Länder sind sehens- und staunenswerte Zeugnisse der Vorzüge moderner Architektur. Der Wohnungsbau in Stralau zieht sogar regelmäßig Touristen aus dem fernen Osten an.
Nur leider hat die moderne Architektur in Berlin häufig einen großen Fehler. Jede Veränderung wird zu Ungunsten der Berliner vollzogen. Wenn sich etwas ändert, wie beispielsweise der Bahnhof Ostkreuz, kann man garantieren, dass die Fahrpreise deutlich steigen. Neue Wohnungen in Stralau wiederum erhöhen den Mietspiegel im Bezirk, was zur Folge hat, das andere unbedeutende Bauten ebenfalls die Mieten anziehen können. Selbst das neue Shopping-Center gilt als erweiterte Einkaufsmöglichkeit, also Miete rauf.
Vielleicht wäre es daher mal ganz interessant zu überlegen, ob die Berliner sich nicht die Möglichkeit nehmen sollten, mehr an der Gestaltung des Stadtbildes zu partizipieren? Das wäre doch interessant: jeder Veränderung muss vonseiten der Einwohner zugestimmt werden.
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